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DIALOGE

IDEE ZU DEN BILDERN DIALOGE

Vor zehn Jahren, 2005, entdeckte ich das Buch „Gespräche mit Leuko“ von Cesare Pavese in einer Buchhandlung. Durch die Schutzfolie hindurch war schon ein kurzer Auszug aus dem Vorwort zu lesen, identisch auch mit dem Tagebucheintrag vom 20. Februar 1946. 

Fortgesetzt wurde der Tagebucheintrag wie folgt:

„Soviel Glücksgefühl ohne Abenteuer entsteht wahrscheinlich dadurch, dass du für alle Abenteuer offen bist – du siehst sie um dich herum und tust nichts, um sie zu erzwingen oder zu erleiden. ...“ [1] 

Klappentext, Vorwort, Inhaltsverzeichnis und kurze Leseprobe überzeugten mich sofort davon, von diesem Inhaltsverzeichnis ein Bildprogramm mit chinesischen Zeichen abzuleiten. Um später diese Idee besser vermitteln zu können, kaufte ich die restlichen Exemplare gleich mit.  

 

Ich erlaubte mir, im Vorwort von Pavese durch Austausch einzelner Wörter von der Mythologie auf die chinesischen Schriftzeichen zu weisen:

Gespräche mit Leuko         

 

Wir wären, wenn möglich, gerne ohne soviel Mythologie chinesische Schriftzeichen ausgekommen. Nun sind wir jedoch überzeugt, dass der Mythos die chinesische Zeichensprache eine Sprache ist, ein Ausdrucksmittel – also nichts Willkürliches, sondern ein Sammelbecken von Sinnbildern, dem – wie in allen Sprachen – eine besondere und anders nicht wiederzugebende Substanz von Bedeutungen innewohnt. Greifen wir auf einen Eigennamen, eine Gebärde,ein mythisches Wunder die chinesische Schrift zurück, so drücken wir mit halber Zeile, in wenigen Silben mit einem Zeichen ein synthetisches und umfassendes Geschehnis aus, einen Realitätskern, der einen ganzen Organismus der Leidenschaft, des menschlichen Seins, einen ganzen Gedankenkomplex nährt und belebt. Sind uns dieser Name, diese Gebärde diese chinesischen Schriftzeichen von Kindheit und Schule her vertraut – um so besser. Die Beunruhigung ist echter und schärfer, wenn ein vertrauter Stoff durch sie aufgerührt wird. Hier haben wir uns mit dem Gebrauch der hellenischen Mythen chinesischen Schriftzeichen begnügt, deren verzeihliche Popularität und unmittelbare Annehmbarkeit schon gegeben sind. Wir verabscheuen all das, was ungeordnet, regellos und zufällig ist, und versuchen uns – auch im Stofflichen – zu beschränken, uns einen Rahmen zu geben, in einem abgeschlossenen Daseinsraum zu bleiben. Wir sind überzeugt, dass eine große Offenbarung nur aus dem hartnäckigen Beharren auf einer ebensolchen Schwierigkeit hervorgehen kann. Wir haben nichts gemein mit den Reisenden, den Experimentieren, den Abenteurern. Wir wissen, der sicherste – und rascheste – Weg zum Staunen ist der: unerschrocken immer den gleichen Gegenstand fest im Auge behalten. Auf einmal erscheint uns dann dieser Gegenstand – wunderbar – so, als hätten wir ihn niemals gesehen. [2] 

Von August bis Oktober 2005 entstanden die ersten Schriftbilder nach dem Inhaltsverzeichnis in kleinerem Format etwa 53 x 82 cm.

Größere Formate bei einer Rollenbreite von 148 und 175 cm kamen ab März 2007 hinzu. Diese größeren Bilder waren als Äquivalent für skulpturale Werke aus der Antike oder des sächsischen Barockzeitalters zu sehen.

 

T.B. 2015

 

[1] Cesare Pavese: Das Handwerk des Lebens. Tagebuch 1935-1950,

Claassen Verlag, München 2001 S. 354-55

[2] Cesare Pavese: Gespräche mit Leuco 

Dt. von Catharina Gelpke, Düsseldorf 1989 S. 5

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